Der Waldorfkindergarten
Naturmaterialien, Tanz, das Erkunden der Umwelt mit allen Sinnen und die anthroposophischen Ansätze Rudolf Steiners sind die Grundsteine der Waldorfkindergärten und -schulen. Lernen durch das Prinzip der Nachahmung, die Förderung der 3 Einheiten Geist, Physis und Seele sowie das Prinzip der Selbsterziehung – auch der Eltern, Erzieherinnen und Erzieher – runden dieses pädagogische Konzept ab. Viele Mythen und Vorurteile werden mit der Waldorfpädagogik in Verbindung gebracht. Ein paar davon haben wir in diesem Beitrag näher beleuchtet.
Häufig gestellte Fragen
Was ist die Waldorfpädagogik?
Als pädagogische Strömung nach der Montessoripädagogik entstanden, konzentriert sich die Waldorfpädagogik auf eine freie, naturnahe und spirituelle Entwicklung der Kinder – eine Erziehung für Geist, Herz und Körper. Begründet von Rudolf Steiner und im Jahr 1919 durch den Zigarettenfabrikant Emil Molt mit einer eigenen Schule versehen, entstand im Jahr 1926 der erste Waldorfkindergarten in Stuttgart.
Was macht man in einem Waldorfkindergarten?
Freispiel, Aktivitäten aus dem Jahreskreis, Tanz (rhythmische Bildung) und künstlerische Tätigkeiten gehören ebenso zum Ablauf eines Waldorfkindergartentages wie die gemeinsame Arbeit in der Küche, Zeit im Garten und Wald oder der Morgenkreis, Fingerspiele und gemeinsame Mahlzeiten – alles folgt einem Rhythmus und wird möglichst gleichbleibend wiederholt, um den Kindern Sicherheit und Geborgenheit zu geben.
Wie wird man ErzieherIn in einem Waldorfkindergarten?
Um WaldorferzieherIn zu werden, ist der Besuch einer waldorfpädagogischen Lehreinrichtung notwendig – die Ausbildung dauert i.d.R. 3 Jahre und kann in Teilzeit, Vollzeit oder auch als PiA (praxisintegrierte Ausbildung) erfolgen. ErzieherInnen, die ihre reguläre Ausbildung bereits erfolgreich abgeschlossen haben, können eine berufsbegleitende Weiterbildung an einem Seminar für Waldorfpädagogik absolvieren (Fernstudium möglich) – Dauer ca. 3 Jahre.
Wer darf einen Waldorfkindergarten besuchen?
Einen Waldorfkindergarten darf jedes Kind unabhängig von seiner Religion, seiner Herkunft oder den finanziellen Möglichkeiten seiner Eltern besuchen. In der Regel folgt auf das Ausfüllen eines Kontaktformulars zunächst ein Aufnahmegespräch. Eine Auseinandersetzung mit den Grundprinzipien der Waldorfpädagogik ist den Familien im Vorfeld in jedem Fall zu empfehlen.
Was sind Anthroposophie und Eurythmie?
Die beiden, eng mit der Waldorfpädagogik verbundenen, Begriffe stehen: Im Fall der Anthroposophie (aus dem Altgriechischen für „Mensch und Weisheit“) für eine religionsähnliche Weltsicht, die das Geistige des Einzelnen mit dem Geistigen seiner Umwelt zu verbinden versucht; und im Falle der Eurythmie (aus dem Altgriechischen für „schöne Bewegung“) für einen bildlich-rhythmischen Ausdruck von Sprache und Gesang. Anthroposophische Ansichten bilden die Grundlage der Waldorfpädagogik, während Eurythmie oder das beseelte Turnen, ein fester Teil des Wochenplans in Waldorfschule und Kindergarten ist.
Die Geschichte der Waldorfpädagogik
Gegründet wurde die Waldorfpädagogik auf der anthroposophischen Weltsicht von Rudolf Steiner (1861 – 1925). Die spirituelle Verbindung zwischen Geist, Körper, Herz und der uns umgebenden Umwelt begleitet den Theosophen, Goetheforscher, Publizisten und nicht unumstrittenen Verfasser diverser philosophischer und anthroposophischer Schriften Zeit seines Lebens.
Auf den Grundlagen der von Steiner entwickelten Anthroposophie wird 1919 in Stuttgart die erste Waldorfschule gegründet – durch die Initiative des Zigaretten-Unternehmers Emil Molt, der eine Schule für die Kinder seiner Fabrikarbeiter benötigte. Im Jahr 1920 kam eine erste Waldorfkindergartengruppe in den Stuttgarter Räumlichkeiten hinzu. 1926 folgte dann der erste Waldorfkindergarten in Stuttgart.
Basis der pädagogischen Institutionen in der Waldorfpädagogik ist die soziale Dreigliederung. Gemeint ist hier eine Aussage, die Steiner zugeordnet wird, in der er die Freiheit im Geistesleben, die Gleichheit im Rechtsleben und die Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben voraussetzt, damit der soziale Gesamtorganismus als Einheit existieren kann.
Basis der täglichen Arbeit in Waldorfschulen und -kindergärten ist die Dreigliederung jedes Menschen in Körper, Geist und Seele. Reinkarnationsüberzeugungen fokussieren die Spaltung von Seele (also einer Art Astralleib) und dem Geist (also der Ratio).
In Waldorfkindergärten finden die eben beschriebenen Ansätze ihre Heimat in einer pädagogischen Ausrichtung, die Kopf, Herz und Hand sowie Nachahmung, Rhythmus und Wiederholung in den Mittelpunkt stellt.
Die Waldorfpädagogik ist weltweit verbreitet – die meisten Waldorfschulen und -kindergärten gibt es in Deutschland.
Vorurteile gegenüber der Waldorfpädagogik
Mehr als andere pädagogische Strömungen ist die Waldorfpädagogik einigen Vorurteilen ausgesetzt, die den Kindergärten, den dort arbeitenden Erzieherinnen und Erziehern und den Familien, die ihre Kinder dort betreuen lassen, entgegengebracht werden:
Den ganzen Tag nur den eigenen Namen tanzen.
Der berühmt-berüchtigte Satz „Waldorf? Dann kannst du bestimmt auch deinen Namen tanzen!“ schallt wohl jedem entgegen, der seine Verbindung zur Waldorfpädagogik im Gespräch fallenlässt. Die pädagogische Praxis in Waldorfkindergärten und- schulen wird durch dieses Vorurteil allerdings auf einen kleinen Teil der täglichen Arbeit miteinander reduziert. Eurythmie – oder auch bewegte Sprache – ist in der Tat Teil des Wochenplans in einem Waldorfkindergarten. Speziell ausgebildete Tanzpädagogen/Eurythmisten kommen in einmal pro Woche in den Waldorfkindergarten und tanzen gemeinsam mit den Kindern. Hinter jeder Tanzbewegung versteckt sich eine Bedeutung/ein Wort/eine Tonart/ein Ton/eine Pause, die durch genau diese Bewegung in genau diesem Moment verbildlicht werden.
Eltern müssen den Kindergarten putzen.
Die Elternarbeit bzw. die Elternmitarbeit in einem Waldorfkindergarten unterscheidet sich geringfügig zu anderen Kindergärten. Um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und die Kontakte zwischen Eltern und Kindern möglichst optimal zu verzahnen, ist es in vielen Kindergärten die Regel, dass die Eltern durch die Mitwirkung im Elternbeirat, in der Vorbereitung diverser Festlichkeiten oder bei handwerklichen Tätigkeiten in der Einrichtung oder dem Garten der Kindertagesstätte mithelfen. Die so entstandene Gemeinschaft stärkt die sozialen Kompetenzen jedes Einzelnen. In den Waldorfkindergärten dienen die regelmässigen Elternabende (ca. alle 6 bis 8 Wochen) einem Überblick über das aktuelle Geschehen und die Aktivitäten bei den Kindern. Auch das Putzen der Einrichtung durch abwechselnde Eltern kann zur Elternarbeit gehören. Fester Bestandteil ist in jedem Fall der jährliche Grossputz, bei dem alle Eltern mithelfen.
Den ganzen Tag nur Freispiel ohne Regeln.
Antiautoritäre Erziehung wird viel zu oft mit einer Erziehung ohne jegliche Regeln gleichgesetzt. Dabei ist auch in der Waldorfpädagogik das höchste Gut das Miteinander – dies geprägt durch den christlichen Gedanken „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Ein Punkt, in dem sich auch Kritiker der Waldorfpädagogik wiederfinden, ist die Überzeugung, dass soziales Miteinander nur mit Regeln und Rücksicht funktioniert. Genau diese Werte vermitteln auch die Erzieherinnen und Erzieher in Waldorfkindergärten. Das Freispiel ist kein Geplänkel – da die Freispielzeit sich vor allem auf die Nachahmung und das Wiederholen konzentriert. In der morgendlichen Freispielphase werden also hauswirtschaftliche oder handwerkliche Tätigkeiten durch die Erzieherinnen und Erzieher durchgeführt, welche die Kinder zur Nachahmung inspirieren sollen. Puppen- und Fingerspiele gehören ebenso zum täglichen Ablauf wie die Zeit im Garten – und das bei jedem Wetter.
Nur Müsli zu Essen und mit Holzspielzeug spielen ist doch weltfremd.
Das allgemeine Bio-Öko-Müsli-Vorurteil betrifft sicher nicht nur die Waldorfkindergärten, bündelt sich aber sicher bei allen, die mit der Waldorfpädagogik in Verbindung stehen. In den meisten Kindergärten, die auf Rudolf Steiners Lehren aufgebaut sind, herrscht eine ovo-lakto-vegetabile Kost vor. Pflanzliche Produkte werden also ebenso verzehrt wie Milchprodukte und Eier. Rudolf Steiner war der festen Überzeugung, dass Kinder in den ersten sieben Lebensjahren vor allem mit dem Wachsen und Reifen der körperlichen Funktionen beschäftigt sind und dass ebendiese eine optimale Nährstoffzufuhr benötigt. Eine gleichbleibend ballaststoffreich und eiweisshaltige Kost wird daher bevorzugt verzehrt. Gibt es auch Müsli? Ja sicher, da Müsli viele Nährstoffe enthält und gut sättigt. Gibt es NUR Müsli? Nein, sicher nicht, da dies nicht der ausgewogenen Ernährung entsprechen würde, die der heranwachsende Körper benötigt.
Auch das Thema Spielzeug ist ein umstrittenes. Plastikspielzeug und vor allem vorgefertigtes Spielzeug ohne Deutungsraum für seine Verwendung wird in Waldorfkindergärten nicht angeboten. Die Vorstellungskraft der Kinder soll durch möglichst viele Blanko-Spielzeuge gefördert werden. Ähnlich wie im Ansatz des spielzeugfreien Kindergartens, ist es auch hier an den Kindern, eigene Spiele, Spielarten, Bedeutungen und Funktionen auf Alltagsgegenstände oder Naturmaterial zu legen. Bausteine Puppen, Naturmaterialien, Rollenspielmaterial, Tücher unterstützen die Selbstbildung der Kinder – und das nicht nur in der Waldorfpädagogik.
Die Rolle der ErzieherInnen in einem Waldorf-Kindergarten
In der Waldorfpädagogik werden die Lehrpersonen in die Kunst der Erziehung eingewiesen. Um den kreativen und inspirativen Charakter des Miteinanders in den Einrichtungen zu betonen, ist die erzieherische Arbeit keine Einbahnstrasse. Bei den Erzieherinnen und Erziehern in Waldorfkindergärten wird eine ebensolche Lernfähigkeit vorausgesetzt, wie sie die Kinder innehaben. Ganz allgemein ausgedrückt können Erwachsene von Kindern genauso viel lernen, wie Kinder von Erwachsenen.
Im Sinne einer gleichberechtigten und kreativen Partnerschaft auf Augenhöhe lernen die Kinder vor allem durch Nachahmung und die Wiederholung einzelner Tätigkeiten. Die pädagogischen Fachkräfte stehen hier helfend als Vorbild zur Seite und begleiten den Lernprozess. Sie setzen den Impuls, die Kinder zum Mitmachen und Nachmachen der jeweiligen Tätigkeiten anzuregen.
Frei nach dem pädagogischen Leitsatz, dass Erziehung immer auch Selbsterziehung ist, sollten Erzieherinnen und Erzieher in der Waldorfpädagogik eine regelmässige Selbstreflexion betreiben, um die Bildungspartnerschaft und das gemeinsame Wachsen mit den Kindern bestmöglich zu bewerkstelligen.
Waldorf-Basteln
Die natürlichen Materialien, die in der Waldorfpädagogik zu finden sind, beschränken sich nicht nur auf Spielzeug und Ausstattung. Auch bei den kreativen Tätigkeiten gibt es ein festes Repertoire an Bastelmaterial, das in jedem Waldorfkindergarten zu finden ist:
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- Aquarellfarben und -papier
- Wachsmalstifte
- Bienenwachs
- Transparentpapier
Waldorf Fenstersterne aus Transparentpapier
Filzeicheln
Material: Eichelkappen, Märchenwolle, warmes Wasser, Filzseife, Bastelkleber
So geht’s: Die Märchenwolle in kleine Stücke zupfen und in das Seifenwasser tauchen. Das Wasser aus der Wolle drücken. Nun die Wolle zwischen den Handflächen hin und her rollen und kreisen lassen. Durch die Bewegung zwischen den Händen entsteht langsam eine kleine Filzkugel, die – wenn die gewünschte Grösse erreicht ist – noch in Form gedrückt werden kann. Trocknen lassen und in die Eichelhauben kleben. Fertig ist die stimmungsvolle Herbstdekoration.
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