Lehrergesundheit: Wie Sie Stimmprobleme vermeiden
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Als Lehrerinnen und Lehrer ist Ihr wichtigstes Arbeitsinstrument die Stimme. Solange sie funktioniert, verschwendet man aber meist wenig Gedanken an sie – und das, obwohl Lehrerinnen und Lehrer zu den Extremsportlern des Sprechens zählen! Was aber, wenn das Sprechen Probleme bereitet?
Wenn die Stimme den Dienst versagt
Problematisch wird es, wenn die Stimme einmal ihren Einsatz verweigert. Passiert das, wurde sie vermutlich bereits über längere Zeit regelmässig überfordert (beste Voraussetzung dafür: die Geräuschkulisse eines Klassenzimmers mit rund 30 Schülern …).
Und auch erste Warnsignale wie
- Heiserkeit
- Halsschmerzen
- ein Klossgefühl
- bzw. dem sprichwörtlichen „Frosch im Hals“
wurden mit einem „So schlimm ist das auch nicht!“ abgetan.
So schlimm wäre das in den meisten Fällen auch nicht, wenn Sie Ihren Arbeitstag z.B. hauptsächlich mit stimmschonender Computerarbeit bestreiten würden.
Verbringen Sie den Tag aber sprechenderweise in einem Zimmer mit nicht selten mässiger bis mieser Raumakustik und einer Lautstärke mit Spitzen bis zu 80 Dezibel, kann das eben dazu führen, dass Sie Ihre Stimme am nächsten Tag nur noch unter starken Schmerzen oder überhaupt nicht mehr einsetzen können.
Warum Lehrerinnen und Lehrer häufig mit Stimmproblemen kämpfen
Da ist es nicht wirklich verwunderlich, wenn eine Studie der Leuphana Universität Lüneburg zeigte, dass jede vierte Lehrkraft bereits ein- oder mehrmals aufgrund von Stimmproblemen nicht unterrichten konnte und rund 60% das Sprechen vor der Klasse mindestens zeitweise als anstrengend für die Stimme empfinden.
Überraschend ist eher, dass viele Lehramtsanwärterinnen und -anwärter keinerlei sprecherzieherische Ausbildung erhalten haben, da sie nach wie vor nicht an allen Universitäten obligatorisch ist (und auch freiwillige Veranstaltungen nicht immer angeboten werden). Und wenn doch sind dafür oft nur wenige Stunden vorgesehen.
Ohne das Wissen, wie die Stimme für den Extremsport im Klassenzimmer trainiert und unterstützt werden kann, hält nicht jede Stimme den hohen Anforderungen stand. Und das ist eigentlich legitim, da unsere Stimme auf einen normalen Gebrauch und nicht die Extremsportler-Variante ausgelegt ist.
Die Probleme zeigen sich in einer fehlenden Belastbarkeit und Steigerungsfähigkeit der Stimme, so dass das Gefühl entsteht, den Raum stimmlich nicht durchdringen zu können. Die grosse Belastung für den Kehlkopf und das Stimmorgan führen dann in vielen Fällen zu den oben genannten akuten Warnsignalen.
Das „Warum?“ ist also klar, bleibt die Frage, was Sie tun können, um einen Besuch beim Phoniater (dem Spezialisten für den Stimmapparat) gar nicht erst nötig werden zu lassen?
Wie Sie Stimmprobleme vermeiden können
Vorbeugende Tipps für Lehramtsstudenten:
Wenn Sie noch ganz am Beginn Ihrer Laufbahn als Lehrerin/Lehrer stehen, wären sicherlich ein Test und die Beratung zur stimmlich-sprecherischen Eignung vor oder zumindest mit Studienbeginn sinnvoll. Denn die meisten Stimmprobleme können, erstmal erkannt, gut therapiert werden und der Berufswahl steht stimmlich gesehen nichts mehr entgegen.
Als Lehramtsstudentin bzw. –student können Sie sich kundig machen, ob an Ihrer Ausbildungsstätte Sprecherziehungskurse angeboten werden, falls diese nicht zum Pflichtteil Ihres Studiums gehören. Um die Leistungsfähigkeit der Stimme zu stärken, ist ein Sprechstimmtraining und Sprechbildung wichtig.
Tipps für Lehrerinnen und Lehrer:
Aber auch wenn Sie bereits mitten im Beruf stehen, gibt es neben den oben genannten vorbeugenden Massnahmen einige Tricks, um die Stimme zu ölen:
1. Aufwärmtraining für die Stimme:
Beim Sprechen sind über 70 Muskeln im Einsatz – wie ein Sportler sollten Sie Ihnen ein kleines morgendliches Warm-Up-Programm gönnen!
-
- Lassen Sie Ober- und Unterlippe für etwa eine halbe Minute flattern. Das Geräusch, das Sie so erzeugen, sollte klingen wie ein Pferdeschnauben.
Danach sollte der Mund leicht kribbeln. - Gähnen Sie und schneiden Sie ein paar Grimassen – gern mit Zungeneinsatz ;-)
Je mehr Sie Ihr Gesicht verrenken und alle Gesichtsmuskeln einbeziehen, desto lockerer wird Ihr Artikulationsbereich! - Der wichtigste Atemmuskel ist das Zwerchfell. Die Zwerchfellspannung vor dem Sprechen zu aktivieren ist nicht schwer: Geeignet sind Worte, die mit P, S, T, K, F oder Sch beginnen. Versuchen Sie es z. B. mit Pssst, Puste, Sake, Tablett, Kante, Frack und Schatten und betonen Sie den Wortanfang.
Beim Sprechen sollten Sie einen leichten Druck nach aussen bemerken, wenn Sie Ihre Hand auf die Rippen oder Nieren legen. - Zum Schluss können Sie noch ein Lied summen, um Ihr Stimmvolumen zu stärken. Die Lippen sollten dabei leicht vibrieren. Guter Übungszeitpunkt: Die Autofahrt zur Schule mit dem Lieblingslied im Player!
- Lassen Sie Ober- und Unterlippe für etwa eine halbe Minute flattern. Das Geräusch, das Sie so erzeugen, sollte klingen wie ein Pferdeschnauben.
2. Viel trinken:
Am besten natürlich Wasser oder Kräutertee (Pfefferminz und Kamille meiden). So halten Sie Ihre Stimmlippen geschmeidig und die Schleimhäute feucht und gesund.
3. Haltung bewahren:
Beim Sprechen am besten aufrecht stehen und die Schultern locker lassen. So kommt Ihr Stimmvolumen besser zum Tragen und Sie beugen zudem Stimmproblemen vor. Sportarten wie Yoga oder Wirbelsäulengymnastik helfen, die Körperhaltung zu verbessern.
4. Bewusst sprechen:
Falls Sie dazu neigen, zu schnell zu reden, versuchen Sie kleine Pausen zwischen den Sätzen einzulegen und Luft zu holen. Sprechen Sie die Worte betont aus und vermeiden Sie, Wortendungen zu verschlucken. Das schont die Stimme und macht es auch Ihren Schülern leichter, Ihnen zu folgen.
5. Lärm minimieren:
Die Herausforderung für Lehrerinnen und Lehrer besteht nicht nur im viel Sprechen, sondern v. a. im laut bis sehr laut Sprechen – besonders bei Sportlehrern geht das Sprechen meist schon in Rufen bzw. Schreien über. Grund sind die Umgebungsgeräusche, die zumeist von den Schülern produziert werden: Schwätzen, Tuscheln, Kippeln, Rascheln, umfallende Schultaschen …
Die eine Möglichkeit ist die Störgeräusche zu übertönen – nur geht das auf Dauer auf die Kosten Ihrer Stimme. Besonders die Übergangsphasen zwischen verschiedenen Arbeitsformen oder der Stundenbeginn sind lärmanfällig.
In diesen Situationen hilft es entweder zu warten, bis alle Schüler gemerkt haben, dass es nun Zeit ist ruhig zu werden oder Sie führen ein Ruhesignal ein. Sie können z. B. eine Klangschale, Glocke, Triangel oder eine bestimmte Geste verwenden. Mehr dazu im Beitrag "Weniger Lärm durch Ruhesignale".
Besondern in Primarschulen kommt gerne eine Lärmampel zum Einsatz, die den Schülern per Lichtsignal und Alarmton anzeigt, dass die Lärmgrenze überschritten wurde.
Geht die Lärmquelle von einem oder zwei einzelnen Schülern aus, hilft das direkte Ansprechen in ruhigem Ton – ggf. kombiniert mit einer ernst gemeinten Information über drohende Konsequenzen – oft mehr, als die laute Bitte um Ruhe.
6. Raumakustik verbessern:
Wenn Sie die Möglichkeit haben, können Sie dem Klassenzimmer mit Möbeln, Teppichen, Vorhängen und Deko den Schall nehmen (natürlich unter Berücksichtigung der Brandschutzbestimmungen). Am besten wäre es natürlich, wenn die Unterrichtsräume durch Schallabsorber an Wänden und Decken akustisch aufgewertet werden können.
7. Sprechlautstärke drosseln:
Statt dem ersten Impuls nachzugeben und bei einer höheren schülerinduzierten Umgebungslautstärke lauter zu sprechen, können Sie einen alten Rhetoriktrainertrick anwenden und das Gegenteil versuchen und immer leiser reden. Klappt es nicht, werden Sie nicht lauter, sondern greifen zu einer der Massnahmen aus Punkt 2.
8. Was Sie meiden sollten:
Im Sinne Ihrer Stimme sollten Sie Folgendes vermeiden oder zumindest reduzieren, wenn die Stimme angeschlagen ist:
- Rauchen
- Räuspern
- Flüstern (besser: leise sprechen)
- scharfe Halsbonbons mit Menthol oder Pfefferminz (besser Bonbons mit Salbei, Kräuter und Honig)
- sehr scharfe, sehr heisse, sehr kalte Getränke und Speisen
- Alkohol
- koffeinhaltige Getränke
9. Erkältungen ernst nehmen:
Am besten wäre es natürlich, sich bei Erkältungen komplett zu schonen und zuhause zu bleiben. Aus Rücksicht auf die Kolleginnen und Kollegen, die einspringen müssten, und die Schülerinnen und Schüler, die Unterrichtszeit verlieren, quälen sich die meisten dennoch in die Schule.
Gehören Sie auch zu dieser Gruppe, nehmen Sie sich bei leichten Erkältungen doch die Zeit, mit Kochsalzlösung zu inhalieren. Diese Erste-Hilfe-Massnahme befeuchtet den Rachen und hält die Stimme fit. Bei einer schweren Erkältung führt jedoch kein Weg an der Bett- und Stimmruhe vorbei, wenn Sie keine Kehlkopfentzündung riskieren wollen.
10. Erholungsphasen:
Zur Freude vieler Lehrerstimmen sind die Tage des durchgehenden Frontalunterrichts vorbei – der Wechsel mit Freiarbeit, Gruppen- und Partnerarbeitsphasen gönnt Ihnen kleine Redepausen.
Nach einem sprechreichen Arbeitstag möchte Ihre Stimme vor allem eins: Ruhe! Zum Glück deckt sich das häufig mit den eigenen Wünschen :)
Länger bestehenden und schwerwiegenden Stimmproblemen kommen Sie mit diesen Massnahmen allerdings nicht mehr bei. Nehmen Sie sie nicht auf die leichte Schulter und schieben Sie den Arztbesuch nicht hinaus! Mit der Diagnose und der Hilfe von Spezialisten wie Phoniater, HNO-Ärzte und Logopäden können die richtigen Schritte eingeleitet werden.
Stimme gut, Stimmung gut ;-)
Übrigens: Ist Ihre Stimme voll belastbar und gesund, ist das nicht nur gut für Sie, sondern auch für Ihre Schüler! Haben diese nämlich Schwierigkeiten Ihnen zu folgen, weil Ihre Stimme nicht gegen die Störgeräusche in der Klasse (Hall, Geräusche der Schüler und er Umgebung) ankommt, fällt es schwerer, konzentriert zu bleiben und gute Leistungen zu erbringen.
Problematisch ist nicht nur die fehlende Lautstärke und Tragfähigkeit: Es ist unangenehm, einer belegt, heiser oder krank klingenden Stimme zu folgen. Auch ständiges Räuspern oder Husten lenkt vom eigentlichen Inhalt des Gesagten ab.
Und nicht zuletzt haben Sie ja auch eine sprachliche Vorbildwirkung, der Sie nur mit voll einsatzfähiger Stimme gerecht werden können!
Kurz gesagt: Ist Ihre Stimme fit, profitieren alle!
Quellen + Literatur
- Deutschlandfunk: Lehrer ohne Stimme
- Lehrerstimme.info
- Antje Behrens: Stimm- und Sprechtraining für Sekundarstufenlehrer, Persen, 2014.
- Sieglinde Eberhart/Marcel Hinderer: Stimm- und Sprechtraining für den Unterricht: Ein Übungsbuch, UTB., 3. Aufl. 2020.
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