Lerngeschichten in Kindergarten und Kita - Tipps und Beispieltexte
Die Lerngeschichten, entwickelt von der neuseeländischen Erziehungswissenschaftlerin Margaret Carr, dienen dazu die Stärken und Interessen der Kinder zu erfassen und zu dokumentieren. Persönliche Briefe an das Kind vertiefen den Erkenntnisgewinn und stärken Bindung und Vertrauen zwischen pädagogischen Fachkräften, Kindern und Eltern.
Fragen und Antworten
Was sind Lerngeschichten?
Lerngeschichten sind Teil der Portfolioarbeit in Kindergärten und Kitas. Pädagogische Fachkräfte beobachten die Kinder gezielt in ausgewählten Situationen und schreiben, in kindgerechter Sprache, eine Geschichte in Briefform zu den Besonderheiten, Stärken und Entwicklungsschritten des jeweiligen Kindes.
Was sind Vorteile von Lerngeschichten?
Lerngeschichten ermöglichen Erzieherinnen und Erziehern einen fokussierten Blick auf ein einzelnes Kind und dessen Lernentwicklung sowie auf individuelle Stärken und Interessen, die im Gruppenalltag untergehen können. Kinder erkennen durch Lerngeschichten wie sie von anderen gesehen werden. Und auch für Eltern sind die Geschichten ein erkenntnisreicher Einblick in die Fähigkeiten und die Interessen ihrer Kinder.
Gibt es Beispieltexte für Lerngeschichten?
Ja -> Beispieltexte für unterschiedliche Förderschwerpunkte und einen Leitfaden zur Erstellung von Lerngeschichten finden Sie in diesem Blogbeitrag.
Die Arbeit am und mit dem Kind gehört zu den Hauptaufgaben von Erzieherinnen und Erziehern. Daher ist ein wichtiges Aufgabengebiet das konsequente und professionelle Ausführen von Aufgaben im Bereich der Beobachtung und Dokumentation. Während des regulären Betriebs sind diese Massnahmen zur Unterstützung der Kindesentwicklung nur schwer umzusetzen. Wenig Zeit bleibt am Ende des Tages, um Beobachtungen auszuwerten und Lerngeschichten zu verfassen.
Doch gerade die Lerngeschichten bieten einen grossen Erkenntnisgewinn für alle Beteiligten. Pädagogische Fachkräfte, Kinder und Eltern erhalten einen neuen Blick auf kleine und grosse Entwicklungsschritte. Die gezielte Beobachtung und das anschliessende Verfassen der Lerngeschichte im Rahmen der Portfolioarbeit sowie das gemeinsame Lesen zusammen mit dem Kind, ermöglichen eine bewusstere Auseinandersetzung mit Lernprozessen. Als Teil des Portfolios werden Lerngeschichten bereits in vielen Kitas und Kindergärten angewendet.
- Lerndispositionen als Basis für die Freude am Lernen
- Interessiert sein - an Gegenständen, Lebewesen, Sachverhalten
- Engagiert sein - ein völliges Eintauchen in das aktuelle Interesse
- Standhalten bei Herausforderungen - treten Probleme auf, sucht das Kind nach Lösungen
- Sich ausdrücken und mitteilen - kreativ, verbal oder non-verbale Auseinandersetzung mit dem Thema
- An der Lerngemeinschaft mitwirken und Verantwortung übernehmen - im gemeinsamen Austausch werden zusammen Ideen entwickelt, die Meinung anderer wird gehört und in der Gemeinschaft zugelassen
Die Entstehung einer Lerngeschichte gliedert sich in 4 Schritte:
Beobachtung
Viele pädagogische Fachkräfte erleben die Beobachtung im Rahmen der Lerngeschichten als tiefer und erkenntnisreicher. Das gezielte Fokussieren und das feste Einplanen der Beobachtung im Team fördern einen breiten Erkenntnisgewinn. Das Kind wird abwechselnd von mehreren Erziehern 5 - 10 Minuten gezielt bei einer selbstgewählten Beschäftigung beobachtet. Wichtig ist hierbei, dass die pädagogische Fachkraft nicht eingreift und sich stattdessen ganz auf die Erfahrungen konzentriert, die das Kind gerade macht. Wertfrei und neutral werden die Beobachtungen erfasst.
Auswertung
Bei der Auswertung der Beobachtungen werden die 5 Lerndispositionen als Grundlage verwendet. Mithilfe dieser Grundsätze werden Fortschritte ermittelt und eingeordnet. Stärken und positive Entwicklungen können herausgearbeitet und verschriftlicht werden.
Austausch
Nachdem die ausführende pädagogische Fachkraft Beobachtung und Auswertung abgeschlossen hat, werden die Ergebnisse im Team diskutiert. Haben Kolleginnen und Kollegen ähnliche Erfahrungen gemacht? Gibt es weitere Facetten, die von anderen Mitgliedern des Teams bei dem Kind beobachtet wurden? Alle Erkenntnisse fliessen in die Lerngeschichte mit ein. Fördermöglichkeiten und Potenziale werden zielgerichtet und individuell entwickelt.
Schreiben
Zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn fällt das Schreiben von Lerngeschichten einigen Erzieherinnen und Erziehern noch schwer. Anders als bei einem sachlich nüchternen Text geht es bei einer Lerngeschichte darum, den Alltag des Kindes in einem kleinen Ausschnitt, bzw. anhand einer kurzen Situation zu beschreiben. Die Lerngeschichte wird in Briefform verfasst. Wichtig ist, die Sprache einfach und kindgerecht zu halten. Formulieren Sie nicht allgemein, sondern verwenden Sie die direkte Ansprache.
Aufbau der Lerngeschichte in Briefform:
- Beschreiben der Situation (in leicht verständlicher Sprache)
- Besonderheiten erfassen (Lerndispositionen einbauen)
- Stärken des Kindes (Beispiele und Aussagen des Kindes einbauen)
- Ausblick auf weitere Abenteuer/Erlebnisse/Ereignisse geben
Welchen Effekt haben Lerngeschichten auf ErzieherInnen, Eltern und Kinder?
ErzieherInnen
Für Erzieherinnen und Erzieher bietet der Prozess der Lerngeschichten einen konzentrierteren Einblick in die Lernentwicklung der Kinder. Durch die gezielte Beobachtung in kurzen Situationen entsteht ein neuer Blick auf die Stärken und Interessen der Kinder. Das Vertrauen in die Fertigkeiten und Talente der Kinder wird gestärkt und für die pädagogische Fachkraft eröffnen sich neue Möglichkeiten, den Kindern den Raum zu geben, den sie zur weiteren Entwicklung und Stärkung ihrer Interessen benötigen.
Kinder
Kinder erleben durch das Vorlesen der Lerngeschichten positive Bestätigung ihrer selbst. Sie fühlen sich gesehen und verstanden. Ausserdem ergibt sich auch für Kinder ein neuer Blick darauf, wie sie von anderen erkannt und wertgeschätzt werden. Auch die sprachliche Förderung ist für die Kinder wichtig. Das gemeinsame Lesen und besprechen der Lerngeschichten fördert die Ausdrucksfähigkeit und den Dialog.
Eltern
Eltern haben, wenn es die Kinder möchten, ebenfalls Einblick in das Portfolio und somit auch in die Lerngeschichten. Die Eltern gewinnen einen Eindruck in die pädagogische Arbeit und in den Alltag ihrer Kinder - ausserhalb von zu Hause. Die kurzen Geschichten, alle mit einem positiven und bestärkenden Grundton verfasst - erzeugen Vertrauen in die Fähigkeiten und Stärken der Kinder. Ebenfalls wichtig für die Eltern ist das Erkennen der, ganz auf das Kind zugeschnittenen, Förderung. Jedes Kind wird einzeln für sich betrachtet und auf seine Stärken und Interessen hin unterstützt.
Beispieltext (mathematisches Grundverständnis)
Beispieltext (soziales Lernen)
Blanko-Vorlagen für die Portfolioarbeit gibt es als Download in unserem Beitrag "Das Portfolio in Kindergarten und Kita".
Tipps gegen die Schreibblockade:
- Taptetenwechsel! Wenn die Inspiration am Schreibtisch nicht fliessen möchte, einfach einen anderen Ort wählen.
- Sauerstoff! Das Fenster aufreissen und gut durchlüften bringt frischen Wind in den Schreibprozess.
- Stopp! Manchmal muss auch einfach eine Pause her. Wer schon seit 2 Stunden ergebnislos vor dem leeren Blatt sitzt, muss einfach mal eine Pause machen, um auf andere Gedanken zu kommen.
- Sammeln, Sammeln, Sammeln! Niemand schreibt den perfekten Text oder eine Geschichte von oben nach unten in einem Rutsch. Stattdessen helfen Stichwortartige Sammlungen, die einfach wahllos aufgeschrieben werden. Einfach mit einem Wort, das zur Situation passt, die beschrieben werden soll, anfangen und dann mittels einer Assoziationskette weitere Worte und Satzfragmente dazuschreiben. Was chaotisch wirkt, lässt sich durch das Ordnen in Abschnitte zu einer sinnvollen Geschichte formen.
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