Die Lehrerfrage im Unterricht
Normalerweise läuft das mit dem Fragen ja so, dass wir fragen, weil wir etwas nicht wissen. Als Lehrerinnen und Lehrer bilden Sie hier eine Ausnahme: Sie stellen häufig Fragen, deren Antworten Sie schon kennen, sogenannte Lehrerfragen, und sind sozusagen „professionelle Fragesteller“ ;-)
Diese Art zu fragen ist schon seit Sokrates ein bedeutender Bestandteil in der Vermittlung von Wissen.
Welche Art der Fragen sich dafür gut oder weniger gut eignet erfahren Sie hier.
Welche Funktionen erfüllt die Lehrerfrage?
Gut gestellte Fragen können im Unterricht die unterschiedlichsten Funktionen erfüllen:
- Wissen vermitteln
- Denkanstösse geben
- zum Nachdenken provozieren
- Zusammenhänge deutlich machen
- die Aufmerksamkeit und Motivation erhöhen
- die Unterrichtsbeteiligung anregen
- das Unterrichtsgespräch im Fluss halten
- den Unterricht lenken
- Lernprozesse präzisieren
- Leistungen von Schülern und Lernfortschritte prüfen
- Vorkenntnisse feststellen
- Gelerntes abfragen und rekapitulieren
- Unterrichtseinstiege gestalten
- Impulse geben
Also kurz gesagt: Lehrerfragen sollen das Lernen fördern.
Nicht jede Lehrerfrage ist eine gute Frage
Die Lehrerfrage hat aber durchaus auch Kritiker, die genau diese lernfördernde Wirkung infrage stellen. Unter bestimmten Umständen kann der Unterricht, insbesondere der fragend-entwickelnde Unterricht, durch zu viele Fragen etwas zäh werden. Oder die Fragen geben keinen Freiraum, um eigene Gedanken zu formulieren. Hier einige Beispiele, die es zu vermeiden gilt:
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Suggestive Fragen:
Will man eine Lösung aus einem Schülerinnen und Schüler durch geschicktes Fragen herauskitzeln, ist die Gefahr gross, nur noch Suggestivfragen („Denkst du nicht auch, dass …?“) zu stellen. Da diese Fragetechnik sehr einengend und sogar manipulierend sein kann, werden die Schülerinnen und Schüler in der Regel antworten, wie Sie es Ihnen praktisch vorgegeben haben.
Die grauen Zellen bleiben dabei weitestgehend inaktiv. Schlimmstenfalls vermitteln Sie den Schülern so das Gefühl, auf diese Art zu fragen, weil Sie sie für nicht intelligent genug halten. -
Fragenketten:
Mehrere aufeinanderfolgende Fragen schrecken Schülerinnen und Schüler ab. Es fällt ihnen (und nicht nur ihnen) schwer, sich alles zu merken und abzuarbeiten. Besser darauf verzichten oder die Fragen für alle sichtbar, z. B. an der Tafel, notieren. -
Fragenvariationen:
Manchmal stellt man eine Frage und merkt schon währenddessen, dass sie den Punkt nicht genau trifft oder zu unklar formuliert ist. Das Mittel der Wahl ist es dann häufig, eine leicht veränderte Formulierung der Frage nachzuschieben. Und ggf. noch eine. Die Schülerinnen und Schüler sind durch einen solchen Fragenregen aber eher verwirrt, als dass ihnen die Antwort klarer wird.
Um präzise zu formulieren, kann es anfangs helfen, sich die wichtigsten Fragen der Stunde vorab zu notieren. -
Echo-Fragen:
Das als Frage umformulierte Echo einer Schülerantwort erklingt besonders gern, wenn die gegebene Antwort falsch war („Der Frosch ist also ein Reptil?“). Als Lehrerin oder Lehrer möchte man den Schüler/die Schülerin oder auch die Klasse dadurch auf den Fehler aufmerksam machen. Da den Schülerinnen und Schülern bei einer Echo-Frage sowieso klar ist, dass mit der Antwort etwas nicht stimmt, kann man eigentlich gleich darauf verzichten. Besser nachhaken („Wie kommst du zu deiner Entscheidung?“). -
„Ratet mal, woran ich denke“-Fragen:
Versuchen Sie keine Fragen zu stellen, auf die es viele mögliche Antworten gibt, Sie aber nur eine Bestimmte hören möchten. Für die Schüler ist es frustrierend, eine eigentlich korrekte Antwort zu geben, die nicht richtig honoriert wird, weil es eben nicht genau die ist, die Sie suchen. Besonders zäh und zeitraubend wird es, wenn daraufhin ein Nachbohren nach der „richtigen“ Lösung folgt. -
Ironische Scheinfragen:
sind im Unterricht fehl am Platz („Und du glaubst, das war gut?“). -
Angst vor der Stille:
Ist die Frage gestellt und es schnellen nicht sofort Schülerhände nach oben, wächst die Unruhe: War die Frage zu schwer, zu leicht, nicht verständlich formuliert?
Der Drang eine Frage oder Erläuterung hinterherzuschieben wird schnell gross. Ohne es selbst wirklich zu merken, lässt man den Schülerinnen und Schülern oft nur zwei Sekunden Zeit, um über eine Antwort nachzudenken. Für manche Schülerinnen und Schüler ist das einfach zu kurz. Sie müssen erst die Angst überwinden, evtl. etwas Falsches zu sagen oder benötigen einfach etwas Zeit zum Nachdenken. Also besonders bei Denkaufgaben Ruhe bewahren und keine Angst vor ein paar Sekunden Stille :)
Es gibt sicher auch Frage-Talente, aber im Grunde gilt, wie bei jedem Handwerk: Je mehr Erfahrungen Sie sammeln, umso besser klappt es auch mit der passenden Fragetechnik.
Nachgefragt: Was macht eine „gute Frage“ aus?
Die Frage nach der „guten Lehrerfrage“ ist sicher nicht konkret zu beantworten – es kommt auf das jeweilige Ziel und den Kontext an. Es gibt aber doch einige Kriterien, die Orientierung geben:
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Spielraum zum Denken:
Geschlossene, eng formulierte Fragen, die mehr oder weniger mit einem Wort beantwortet werden können, erfüllen ihren Zweck z. B. bei der Überprüfung von Gelerntem. Wirklich neue Erkenntnisse entwickeln die Schüler durch sie selten.
Dazu müssen die Fragen den Schülern Raum zum Nachdenken, Meinungen bilden und Schlüsse ziehen lassen. Fragen, die kritisches, kreatives und problemlösendes Denken ermöglichen, bringen die Schüler und den Unterricht weiter. Sie vermitteln nicht nur Wissen, sondern auch Kompetenzen. -
Eindeutig und klar formulieren:
Eine gute und korrekte Antwort bedarf einer sprachlich korrekten sowie präzise und eindeutig formulierten Frage. Um das zu schaffen, sollten Sie sich, besonders am Anfang Ihrer Laufbahn, die Zeit gönnen, die Frage reflektiert zu stellen. Auch zu lange Fragen beeinträchtigen die Verständlichkeit. -
Schwierigkeitsgrad im Blick haben:
Passt die Frage in ihrer Komplexität und im Umfang der Antwort zu dem Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler? Sind die Fragen zu einfach, melden sich viele Schülerinnen und Schüler erst gar nicht, sind sie zu schwer, besteht aus den entgegengesetzten Gründen das gleiche Problem.
Um die Motivation bei allen hochzuhalten, können Sie jedoch ruhig mal etwas schwerere bzw. einfachere Fragen einstreuen, um leistungsstärkere Kinder anzuspornen und schwächeren Schülerinnen und Schülern ebenfalls die Möglichkeit zu geben, den Unterricht weiterzubringen. -
Die Mischung macht‘s:
Immer nur die gleiche Art der Fragen macht den Unterricht eintönig. Wissens- und Denkfragen; Fragen, die sich mal auf Gelerntes, vorliegendes Material oder eigene Erfahrungen und Meinungen beziehen, mal offen, mal geschlossen formuliert sind, bringen Abwechslung in die Stunde.
Ergänzt durch non-verbale, alternative Impulse kann die zielgerichtet und dosiert eingesetzte Lehrerfrage ihr lernförderndes Potential entwickeln. Um zu überprüfen, wie es um die Fragenqualität in Ihren Stunden bestellt ist, eignet sich z. B. Micro-Teaching, ein Feedback-Instrument, das wir vor kurzem hier im Blog vorgestellt haben.
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