Diskriminierungsprävention an Schulen
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Schulen sind wichtige Orte zur Diskriminierungsprävention: An Schulen werden aufgrund der Schulpflicht alle Kinder und Jugendliche erreicht, und es ist möglich, schon früh über verschiedene Formen von Diskriminierung aufzuklären, die Kinder zu sensibilisieren und eine Grundlage gegen Ausgrenzungen und Benachteiligung zu schaffen.
Aufklärung ist umso wichtiger, da auch Schulen selbst nicht frei von Diskriminierung und – als Ausprägungsform davon – Rassismus sind.
In diesem Beitrag erhalten Sie Anregungen zur Diskriminierungs- und Rassismusprävention.
Diskriminierungserfahrungen wirken sich negativ auf den schulischen Erfolg aus
Eine sichere und positive Lernumgebung hat einen massgeblichen Einfluss auf den schulischen Erfolg. Schülerinnen und Schüler, die an der Schule diskriminiert, ausgegrenzt oder benachteiligt werden, haben es deshalb schwerer, gute Leistungen zu erzielen (Quelle: Universität Ulm). Schulwechsel, unentschuldigtes Fehlen, Schulabbrüche und Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit sind weitere mögliche Folgen.
Die im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) erstellte repräsentative Befragung „Diskriminierungserfahrungen in Deutschland“ aus dem Jahr 2016 ergab, dass 23,7% der Befragten in den letzten zwei Jahren Diskriminierungen im Bildungsbereich erlebt haben.
Diskriminierung kann unterschiedliche Ausprägungen annehmen: Das Spektrum reicht von Ausgrenzung, unbedachten Äusserungen bis hin zu bewusst verletzenden und ausgrenzenden Sprüchen, körperlicher Gewalt und einer Chancenungleichheit.
Dabei können sowohl Schülerinnen und Schüler wie auch Lehrerinnen und Lehrer von diskriminierendem Verhalten betroffen sein, das ebenso von Schülerinnen und Schülern wie Lehrkräften ausgehen kann.
Der Rassismusforscher Karim Fereidooni sagt im Interview mit dem „Schulportal“: „Es kann keine Schule ohne Rassismus geben. Wenn sich Menschen allerdings gegen Rassismus engagieren, kann es eine rassismussensible Schule werden. (…) Aber überall dort, wo Menschen zusammenkommen, spielen Ungleichheitsstrukturen eine Rolle – also Rassismus, Klassismus, Sexismus, Heteronormativität. Rassismus strukturiert unseren Alltag und auch die Schulwirklichkeit.“
- Diskriminierung unter Schülerinnen und Schülern darf nicht unterschätzt werden. Dabei handelt es sich natürlich nicht nur um Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Hautfarbe oder Sprache: Schülerinnen und Schüler können auch aufgrund ihres Geschlechts, ihrem sozialen Status, ihrer Religion bzw. Weltanschauung, ihrer sexuellen Identität oder körperlichen Einschränkungen Opfer von Diskriminierung werden.
Lehrerinnen und Lehrer werden in ihrer Ausbildung nicht immer darauf vorbereitet, wie sie mit rassistischen und diskriminierenden Tendenzen unter den Schülerinnen und Schülern oder von Lernenden gegen sie als Lehrkräfte umgehen und Konflikte moderieren können. Eine verstärkte Einbindung in die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften wäre deshalb sinnvoll.
Aber nicht immer bekommen es Lehrkräfte mit, wenn es zu rassistischen bzw. diskriminierenden Äusserungen zwischen Lernenden kommt. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Zivilcourage von Schülerinnen und Schülern zu stärken, was z. B. ein zentrales Ziel des Projekts „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ist (s. „Projekte gegen Rassismus“). In diesem Beitrag des NDR (23.06.2020) berichten zwei Schülerinnen der 8. Klasse eines Gymnasiums von ihren Erfahrungen mit rassistischen Äusserungen: Kinderwelten: Rassismus in der Schule. - 2018 schilderten betroffene Menschen mit Migrationshintergrund unter dem #MeTwo ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus. Darunter fanden sich zahlreiche Berichte, die entmutigende Erfahrungen aus der Schulzeit betrafen, u. a. keine Empfehlung für das Gymnasium erhalten zu haben.
Dass auch Lehrerinnen und Lehrer nicht frei von Stereotypen und Vorurteilen sind (was keiner von uns ist), zeigte auch eine Studie der Universität Mannheim von 2018: Lehramtsstudentinnen und -studenten bewerteten – bei gleicher Fehlerzahl – Diktate von Schülern mit dem Namen Murat schlechter, als die von Schülern mit dem Namen Max.
Schon 2010 kam eine Umfrage der Universität Oldenburg zu dem Ergebnis, dass Schüler mit dem Namen Kevin schlechter benotet werden als Schüler, die Maximilian heissen.
„‘Gerechte Bewertung‘ ist in der Praxis schwierig umzusetzen und die Benotung birgt damit ein hohes Diskriminierungsrisiko“, heisst es dazu im Praxisleitfaden „Diskriminierung an Schulen erkennen und vermeiden“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS).
Mai Thi Nguyen-Kim hat auf ihrem YouTube-Kanal maiLab zum Thema "Zwischen Rassismus und Neugier: Woher kommst du?" ein sehenswertes Statement veröffentlicht:
Lehrerinnen und Lehrer wollen die ihnen anvertrauten Kinder fair und gleich behandeln, das steht fest. Stereotype Meinungen, mit denen wir aufgewachsen sind, beeinflussen uns aber oft ungewollt und unbewusst. Es ist deshalb umso wichtiger, sich selbst immer wieder zu reflektieren und hinterfragen.
Im Interview mit Zeit Online sagt Sebastian Walter, Sprecher für Antidiskriminierung der Grünenfraktion Berlin, zum Thema „Diskriminierung an Schulen“: „Erst, wenn wir akzeptieren, dass Menschen ständig diskriminieren und diskriminiert werden, dass wir alle mit bestimmten Stereotypen aufgewachsen sind, können wir auch damit anfangen, etwas dagegen zu tun. Deswegen ist die Lösung des Problems die Professionalisierung.“
Mögliche Ansätze für den Umgang mit Diskriminierung an Schulen
Um adäquat auf diskriminierendes Verhalten reagieren zu können, wären Anpassungen auf verschiedenen Ebenen, wie den Landesschulgesetzen, der Lehrerausbildung und den Schulen, nötig. Dazu könnten aus der Sicht der ADS beispielsweise folgende Massnahmen zählen:
- Aufnahme von konkreten und niedrigschwelligen Regelungen zur Durchsetzung des Rechts auf diskriminierungsfreie Bildung in die Schulgesetze und Massnahmen zur Prävention.
- Aufklärung und Sensibilisierung für Diskriminierung als fester Teil der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften.
- Stärkere Ausrichtung auf Antidiskriminierung und Chancengleichheit in der Schulentwicklung.
- Fächerübergreifende Behandlung des Themas „Rassismus“ im Unterricht sowie in Form von ausserunterrichtlichen Projekten.
- Die Erarbeitung einer Antidiskriminierungsstrategie an Schulen.
- Als Teil davon: Feste Strukturen, die interne und externe Beschwerde- und Interventionsmöglichkeiten bieten, denn oft wissen Betroffene nicht, an wen sie sich wenden und sicher anvertrauen können.
- Freigabe von Mitteln, damit Schulen dies umsetzen können.
- Diskriminierende und rassistische Stereotype in Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien kritisch hinterfragen und in der Klasse thematisieren.
Der Praxisleitfaden „Diskriminierung an Schulen erkennen und vermeiden“ der ADS, der auch auf die oben genannten Ansätze hinweist, enthält zudem Handlungsmöglichkeiten für Schulen, um Diskriminierung zu erkennen, Präventions- und Interventionsmöglichkeiten sowie eine nachhaltige Verankerung der Massnahmen.
Projekte zur Diskriminierungs- und Rassismusprävention
Hier nennen wir nur einige der überregional aktiven Projekte. Auf regionaler Ebene engagieren sich viele weitere Vereine, Organisationen und Initiativen gegen Rassismus und Diskriminierung an Schulen.
- Das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ vernetzt inzwischen über 3000 Schulen in Deutschland, die sich selbst dazu verpflichten, aktiv gegen jede Form von Diskriminierung einzutreten und regelmässig themenbezogene Projekttage abzuhalten. Das Projekt bietet teilnehmenden Schulen über 100 Koordinierungsstellen und mehr als 350 ausserschulische Kooperationspartner zur Unterstützung.
- Das durch die Hilfs- und Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help e.V. initiierte Projekt „School Talks“ tourt bundesweit durch Deutschland, um mit Schülerinnen und Schülern über Themen wie Menschenrechte, Fluchtursachen und Diskriminierung zu diskutieren.
- Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ fördert mehr als 600 teils regional, teils überregional agierende Projekte zur Prävention von Rassismus und rassistischer Diskriminierung.
- Das Präventionsprogramm „Respekt Coaches | Anti-Mobbing-Profis“ bietet präventive Angebote an bundesweit rund 190 Standorten. Ziel ist es, Respekt, Toleranz und den Abbau von Vorurteilen an Schulen zu stärken.
- Das Netzwerk für Demokratie und Courage bietet Projekttage zu verschiedenen Themen für die Klassenstufen 5 - 9 an.
- Der „Nationale Aktionsplan gegen Rassismus“ gibt in Anlage I weitere Auskunft über offizielle Anlaufstellen der Länder.
- Der Wettbewerb „Fair@School“ zeichnet eigene Schulprojekte aus, die sich gegen Diskriminierung und für Chancengerechtigkeit stark machen.
Quellen für Unterrichtsmaterialien
Auf die Frage „Wie gelingt Rassismuskritik in der Schule?“ im oben erwähnten Interview sagt Karim Fereidooni „Das Wichtigste ist, nicht zu leugnen, dass Rassismus existiert, darüber zu sprechen und Rassismus zum Unterrichtsthema zu machen.“
Hier finden Sie Unterrichtsmaterialien zum Thema „Rassismus und Diskriminierung“:
- Lehrer-Online bietet eine Sammlung von Arbeitsmaterialien zum Thema „Extremismus erkennen“.
- Infomaterialien zum Thema „Rassismus“ erhalten Sie auch über die „Stiftung gegen Rassismus“. Speziell für Lehrerinnen und Lehrer wurden gemeinsam mit der GEW Materialhefte für Primarschulen sowie SEK I und II herausgegeben.
- Auf der Seite des Deutschen Bildungsservers finden Sie Links zu Hintergrundinformationen und Unterrichtsmaterialien zum Thema „Rassismus“.
- Auf der Seite éducation21, die in der Schweiz Finanzhilfen u. a. für Schulprojekte im Bereich Rassismusprävention bietet, erhalten Sie Empfehlungen für Unterrichtsmaterialien, die für verschiedene Klassenstufen geeignet sind.
- Die Stiftung Lesen hat eine Liste von Büchern zum Thema „Bücher gegen Rassismus“ zusammengestellt.
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