5 häufige Fehleinschätzungen über digitale Medien in Schule und Unterricht
Warum kommen digitale Medien nicht häufiger zum Einsatz?
Der Digitalpakt Schule hat einiges zum Positiven verändert. Doch noch immer gibt es Schulen, in denen der Einsatz an den Rahmenbedingungen scheitert:
- fehlende oder instabile Internetverbindungen
- nicht in ausreichendem Mass vorhandene Geräte
- mangelnde Fortbildungsangebote
Manche Lehrkräfte, die den Einsatz digitaler Medien im Unterricht nicht bereits in ihrer Ausbildung gelernt haben, haben noch Hemmungen und können die Vorteile gegenüber den analogen Möglichkeiten nur schwer einschätzen. Dabei wäre es eine Grundvoraussetzung für die Etablierung, Lehrerinnen und Lehrer mitzunehmen und zu überzeugen.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Es sollte nicht darum gehen, alle Prozesse digital abzuwickeln. Es gibt immer noch viele Bereiche, in denen analoge Möglichkeiten und Abläufe Vorteile gegenüber Tablet, Laptop und Co. haben.
Natürlich gibt es im Bereich der digitalen Medien auch eine wachsende Zahl Vorreiterinnen und Vorreiter in der Lehrerschaft! Es sind Lehrerinnen und Lehrer, die v. a. in Eigenregie selbst Konzepte entwerfen und viel Zeit und Arbeit aufwenden, um diese umzusetzen.
Über verschiedene Kanäle, wie z. B. Blogs, Plattformen und in den sozialen Medien, lassen sie Kolleginnen und Kollegen an ihren Erfahrungen teilhaben, zeigen die Herausforderungen auf und versuchen die neugewonnenen Vorteile herauszustellen.
Wenn flächendeckender Unterricht mit digitalen Medien gefordert wird, muss aber noch mehr Initiative von übergeordneten Stellen kommen. Es kann nicht erwartet werden, dass Lehrerinnen und Lehrer dies alles in Eigenregie leisten.
Manchmal stehen der Integration digitaler Medien aber auch Vorbehalte gegenüber, die sich bei genauerer Betrachtung als unzutreffend erweisen.
5 davon stellen wir Ihnen hier vor:
5 Fehleinschätzungen und Irrtümer über den Einsatz digitaler Medien im Unterricht
- Fehleinschätzung 1: Schülerinnen und Schüler befassen sich ständig mit digitalen Medien und sind deshalb bestens mit dem Umgang mit den Geräten und Anwendungen vertraut. Man kann ihnen kaum noch etwas beibringen
- Fehleinschätzung 2: Der Umgang mit digitalen Medien fällt nicht in den Aufgabenbereich der Schule
- Fehleinschätzung 3: Die jungen Kolleginnen und Kollegen machen das schon
- Fehleinschätzung 4: Medienkompetenz = Warnen vor Gefahren im Umgang mit digitalen Medien
- Fehleinschätzung 5: Ich kenne mich mit digitalen Medien nicht aus und kann sie deshalb im Unterricht nicht einsetzen
1. Schülerinnen und Schüler befassen sich ständig mit digitalen Medien und sind deshalb bestens mit dem Umgang mit den Geräten und Anwendungen vertraut. Man kann ihnen kaum noch etwas beibringen.
Digitale Medien gehören zur Alltagswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern. Wer sieht, wie selbstverständlich die Geräte und Anwendungen von ihnen genutzt werden, wie schnell sie allein schon Nachrichten auf ihren Smartphones tippen können und wie hilflos manche sind, wenn ihnen die Technologien einmal nicht zur Verfügung stehen, kommt schnell auf den Gedanken, dass der oft als „digital natives“ bezeichneten Jugend kaum noch etwas beizubringen ist.
Vielmehr entsteht bei manchen Lehrkräften die Sorge, nicht mehr mit den Schülerinnen und Schülern mithalten zu können.
Oft handelt es sich jedoch nur um oberflächliches Wissen oder um Kenntnisse, die sich eher auf spezielle, häufig genutzte Anwendungen beschränken.
So verbringen viele Schülerinnen und Schüler einen grossen Teil ihrer Freizeit mit Snapchat, TikTok, Instagram und YouTube, haben aber Schwierigkeiten, ein sicheres Passwort zu ertsllen oder eine Datei an eine E-Mail anzuhängen. Viele Möglichkeiten, die uns „digital immigrants“ geläufig sind, da wir sie eben schon länger nutzen, haben für die Schülerinnen und Schüler kaum eine Bedeutung, wodurch sie eben auch nicht mit ihnen umgehen können.
Dazu zählen bei vielen Kindern und Jugendlichen folgende Punkte:
- ein reflektierter Umgang mit digitalen Medien und KI
- der Umgang mit Anwendungen, die sie selten benutzen, aber in der Berufswelt benötigt werden (z. B. Textverarbeitungs-, Tabellenkalkulations- und Präsentationsprogramme)
- komplexe Vorgänge wie Programmieren oder die Funktionsweise von Algorithmen
- Regeln, die man bei der Nutzung digitaler Medien beachten muss (Datenschutz, Urheberrecht)
- tiefergehende Recherche sowie die Aus- und Bewertung der gefundenen Informationen
2. Der Umgang mit digitalen Medien fällt nicht in den Aufgabenbereich der Schule.
Ständig kommen Forderungen nach neuen Schulfächern auf: Mal soll es gesunde Ernährung sein, dann Wissen aus dem Bereich der Wirtschaft oder gutes Benehmen. Sicher wäre vieles davon wünschenswert, nur was soll dafür aus dem bisherigen Bildungskanon herausfallen?
Die Einbindung der Förderung von Medienkompetenz im Unterricht muss dagegen nicht anstelle anderer Themengebiete erfolgen. Digitale Medien stellen im Prinzip eine Ergänzung der bestehenden Unterrichtsmethoden dar.
Mit dieser müssen die Schülerinnen und Schüler natürlich umzugehen lernen, was nach einer Einführung, in der grundlegendes Wissen vermittelt wird, kontinuierlich durch eine reflektierte Nutzung von digitalen Medien in den verschiedenen Fächern geschehen kann.
Dazu kommt, dass die gesamte Umwelt der Schülerinnen und Schüler medial geprägt ist. Um in dieser Umgebung teilhaben und mündig und selbstbestimmt agieren zu können, müssen sie einen kompetenten Umgang mit den digitalen Medien lernen. Dies entspricht auch dem Bildungsauftrag der Schule.
Eltern, die oft auch nicht über entsprechendes Wissen verfügen, können dies allein nicht leisten. Die Schule kann, wenn sie nicht komplett an der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler vorbei handeln will, keine analoge Insel in einem digitalen Meer sein – was sie vielerorts ja auch schon längst nicht mehr ist.
3. Die jungen Kolleginnen und Kollegen machen das schon.
Wie die Schülerinnen und Schüler ist auch die junge Lehrkräftegeneration mit den Möglichkeiten der digitalen Technik aufgewachsen. Ähnlich wie bei den Kindern kennen sich auch die angehenden Lehrerinnen und Lehrer meist zwar gut mit den Anwendungsmöglichkeiten für den privaten Gebrauch aus, weniger aber mit der Vermittlung, den didaktischen Konzepten oder der rechtlichen Seite von digitalen Medien in der Schule.
Der Einzug des Digitalen in den Unterricht erfolgt also nicht automatisch. Auch Lehramtsstudentinnen und -studenten müssen erst lernen, wie digitale Medien im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden können und welches Wissen sie ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln müssen, um diese für den Umgang mit der Technik und den Anwendungen zu rüsten.
Um die breite Masse an angehenden Lehrerinnen und Lehrern mitzunehmen, müssten die Ausbilderinnen und Ausbilder sie mit didaktischen Konzepten und Praxisbeispielen versorgen, was im Moment noch nicht überall in ausreichendem Mass geschieht.
4. Medienkompetenz = Warnen vor Gefahren im Umgang mit digitalen Medien
Zweifellos ist die Vermittlung von Wissen um die Gefahren, die eine Nutzung von digitalen und besonders den sozialen Medien mit sich bringen, ein wichtiger Punkt aus dem Bereich „Medienkompetenz“.
Die Schülerinnen und Schüler müssen über diese Gefahren und negativen Seiten informiert werden.
Zu diesen gehören u. a.:
- Cybermobbing
- Sexting
- Zugangsmöglichkeit zu nicht jugendfreien Seiten mit pornographischen, extremistischen oder gewaltverherrlichenden Darstellungen
- Fake News
- Datenmissbrauch
- Was einmal im Internet veröffentlicht wurde, ist kaum wieder zu löschen.
- Abo-Fallen und andere Abzocke
Auch wer Datenschutzrichtlinien oder das Urheberrecht nicht beachtet, muss mit Strafen rechnen.
Doch das Wissen um die Risiken und wie man die Gefahren umgeht, ist nur ein Teil, der zu einem kompetenten Umgang mit digitalen Medien führt.
Es gibt natürlich auch viele positive und nützliche Aspekte, die es kennenzulernen gilt und die den Unterricht und das Lernen bereichern können.
5. Ich kenne mich mit digitalen Medien nicht aus und kann sie deshalb im Unterricht nicht einsetzen.
Wie eine neue Fremdsprache oder ein Musikinstrument zählt auch der Umgang mit digitalen Medien zu den Dingen, die man auch im Erwachsenenalter noch lernen kann. Die Frage, die man sich stellen muss, ist: Will ich es lernen?
Die Entscheidung für digitalen Medieneinsatz fodert auch einiges:
- Mut, das Risiko einzugehen, dass auch mal was schiefgehen kann.
- Zeit, für die Erarbeitung neuer Herangehensweisen und Konzepte.
- Spass am Erproben der neuen Möglichkeiten.
- Abschied von dem üblicherweise vorhandenen Wissensvorsprung gegenüber den Schülerinnen und Schülern, die im Bereich des Digitalen oft mit Lösungsvorschlägen bei Problemen aushelfen können.
Wer die Frage nach dem Wollen, auch in Anbetracht dieser Anforderungen, nicht bejahen kann, sollte sich fragen, woher die Ablehnung kommt. Die bekannten Unterrichtsmethoden haben sich lange bewährt, aber die Neuen können diese ergänzen und mehr Vielfalt in die Vermittlungsmöglichkeiten bringen. Man muss sich aber auf sie einlassen wollen, damit sie ihre Vorteile ausspielen können.
Digitale Medien allein können den Unterricht nicht verbessern
Andererseits gibt es aber auch Irrtümer über den Einsatz digitaler Medien im Unterricht, die zu überzogenen Erwartungen führen und letztlich enttäuschen müssen:
Digitale Medien verbessern das Lehren und Lernen.
Wer ein Klassenzimmer mit einer interaktiven Tafel, einer Dokumentenkamera und einem Klassensatz Tablets ausstattet und davon ausgeht, dass dies allein einen positiven Effekt auf den Unterricht hat, wird sicher enttäuscht werden.
Eine unreflektierte Techniknutzung bringt keine Vorteile.
Wie John Hattie aus seiner vielzitierten Studie schlussfolgert: Auf den Lehrer kommt es an!
Erst in Kombination mit weiteren Faktoren können die Geräte ihr Potential ausspielen:
- Schulen müssen die technischen und organisatorischen Anforderungen für einen gelungenen Medieneinsatz erfüllen
- in Bedienung und Einsatzmöglichkeiten geschulte Lehrkräfte
- Bereitschaft der Lehrkräfte, die neuen Möglichkeiten einzusetzen
- ein pädagogisches Konzept zur Mediennutzung
- Wissen, wann der Einsatz sinnvoll ist, d. h. in welchen Bereichen haben digitale Medien einen Vorteil gegenüber den analogen (z. B. wenn sich die Schülerinnen und Schüler mit anderen kommunizieren und vernetzen möchten oder interaktive Vorgänge sinnvoll sind)? Wo wäre ein Einsatz eher eine nette Spielerei?
Digitale Medien und KI sind also genauso wenig ein Allheilmittel wie eine Bedrohung. Ihre Möglichkeiten ersetzen weder Lehrerinnen und Lehrer noch die analogen Lehrmittel, sondern ergänzen diese. Das Ergebnis: Sie haben eine grössere Auswahl, welche Methode für den gegebenen Zweck am besten geeignet ist.
Um ihr Potential gut ausschöpfen zu können, sind aber auf sie abgestimmte pädagogische und didaktische Konzepte nötig, die bisher gewohnte Strukturen durchaus verändern können.
Ein Beispiel ist der Ansatz des Flipped Classrooms: Das Konzept, in der Schule in neue Themen eingeführt zu werden und diese zuhause durch Übungen zu festigen, wird umgedreht. Lehrkräfte bereiten Lehrvideos zu neuen Themen vor, die sich die Schüler zuhause ansehen, um sich einzuarbeiten. In der Schule wird die Zeit mit den Lehrerinnen und Lehrern genutzt, um das Neue einzuüben, zu festigen und Fragen zu stellen.
Mehr zum Konzept des Flipped Classrooms finden Sie im Beitrag „Schon mal umgedrehten Unterricht gehalten?“:
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