Burnoutprävention für Lehrkräfte durch aktives Stressmanagement
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„Werden Sie Energieexperte in eigener Sache. Bringen Sie Ihr Haus auf Vordermann und tanken Sie richtig auf.“
Hallo liebe Lehrkräfte,
Mareike, eine junge Lehrerin, hat mich für ein Coaching aufgesucht. Kurz nachdem wir das Gespräch aufgenommen haben, brach sie in Tränen aus. Eine Welle von Emotionen übermannte sie: „Ich kann nicht mehr. Wie soll es bloss weitergehen? Ich habe noch 37 Dienstjahre vor mir. Im Studium war ich so motiviert und sicher, den richtigen Beruf gefunden zu haben. Das Referendariat habe ich sogar mit Auszeichnung bestanden! Heute kann ich meine Schüler nicht mehr sehen!“
Dann, in einem Moment der Klarheit, folgte ein kraftvolles: „Ich will mein Leben zurück!“
Was ist passiert? Der Lehreralltag mit seinen Anforderungen und Herausforderungen hat Mareike kalt erwischt und lässt sie aufgrund ihres Dauerstresses nun am Lehrberuf zweifeln, denn ihr Privatleben leidet auch längst unter dem täglichen Druck. Kein seltenes Dilemma. Es dauert oft nicht lange und junge Lehrer stellen ernüchternd fest: Das ist also der wirkliche Lehreralltag! Der Praxisschock, oft befeuert durch den Lehrermangel, ist da.
Mareike hat für sich erkannt, dass sie aus diesem Hamsterrad austeigen muss. Sie hat aus Scham lange gewartet, sich Hilfe zu suchen. Gedanken wie „Ich schaffe das schon“, „Andere schaffen das doch auch!“, hielten sie davon ab. Unterstützung von Kollegen oder der Schulleitung endete in Sätzen wie: „Du müsstest mal …“, „So ist das eben, das ist das System“ oder „Du bist zu empfindlich“. Ernsthaft ging niemand auf sie ein.
Wie entsteht Burnout?
Burnout macht sich schleichend bemerkbar als Aneinanderreihung von Dauerbelastungen und Grenzüberschreitungen. Dem Organismus wurde lange Zeit mehr Energie entnommen als zugeführt. Ist die eigene Batterie leer, kann es dauern, sie wieder aufzuladen. Dazu kommt, dass es gesellschaftlich sogar erlernt ist, Schritt halten zu wollen, womit man sich weiter unter Druck setzt.
Der Psychotherapeut Mehrgardts hat es schon vermutet: „Um in einem pathogenen Umfeld zu bestehen, muss man sich als Lehrer einer pathogenen Strategie bedienen, nämlich seine eigene Selbstwahrnehmung ausschalten“, um den Anforderungen zu genügen.
Ist das der richtige Weg, um im „System Schule“ zu bestehen? Viele Lehrkräfte geben an, sie würden nur noch „funktionieren“.
Doch was passiert, wenn sie aufhören zu funktionieren? Vielleicht ziehen sie sich zurück, hören nicht mehr zu, können nicht mehr schlafen, leiden unter Verdauungs- oder Konzentrationsproblemen, fühlen sich angespannt, das Herz schlägt schneller. Zukunftsängste machen sich breit. Dies können typische Symptome und Warnsignale sein, die leider weit verbreitet sind – nicht nur in Lehrerzimmern.
Sollten Sie sich hier wiederfinden, nehmen Sie diese Situation ernst! Zur Not auch mit Unterstützung, denn hier liegt Ihre Chance! Sie können auf LOS zurückgehen und Ihre Weichen neu stellen.
Zunächst liegt natürlich die Versuchung nahe, das Schulsystem zu ändern. Ein schwieriges und langwieriges Unterfangen, denn das System bewegt sich nur langsam. Stattdessen macht es Sinn, auf sich zu schauen und zu prüfen, wo Räume sind, wirklich etwas zu verändern. Deshalb hier ein paar Tipps, mit denen Sie wieder auftanken können. So gelangen Sie zu mehr Selbsterkenntnis und können in Zukunft wieder aktiver steuern, anstatt das Gefühl zu haben, nur noch zu funktionieren. Werden Sie Energieexperte in eigener Sache.
Was hilft? Mit dem folgenden Ressourcenmodell tanken Sie wieder richtig auf
Stellen Sie sich vor, Sie wohnen in einer renovierungsbedürftigen Hütte, die Heizung ist kaputt, Wände haben Risse, Fenster knarren, das Licht funktioniert nicht, Türen fehlen.
Und dann das Gegenteil: Die Wände tragen Ihre Lieblingsfarbe, dort hängen schöne Bilder von Ihnen, von Familie und Freunden. Türen, Fenster funktionieren, der Boden ist gepflegt, es duftet angenehm und das Licht ist romantisch gedimmt. Das Haus ist wohlig warm und das Thermostat zeigt eine konstante Temperatur.
Welches Haus gefällt Ihnen besser?
Um Ihr Haus und Ihren Energiehaushalt in Ordnung zu halten, beantwortet das Ressourcenmodell folgende Fragen:
1) Woraus besteht unser Energiehaus und wie funktioniert es?
2) Welche äusseren und inneren Energiequellen kann ich nutzen, um meinen Energiehaushalt aufzutanken? Und wie schütze ich mich vor Energieraub?
Zu 1) Woraus besteht unser Energiehaus und wie funktioniert es?
Jedes Haus besteht aus einem Fundament, Räumen, Wänden, Türen, Fenster und einem Thermostat sowie äussere und innere Energielieferanten, damit es nicht auskühlt. So funktioniert das mit uns auch. Sie sind das Haus mit Ihrem eigenen Energiehaushalt.
Sind Sie Inhaber des ersten Hauses, dann macht es Sinn, es zu renovieren. Es lässt sich viel schöner in einem Haus wohnen, das in Schuss gebracht ist, als wenn es auseinanderzubrechen droht.
Am besten stellen Sie sich bei der Renovierung oder Inspektion Ihres Hauses Folgendes vor:
- Als Erstes schauen Sie sich Ihr Fundament an: Das ist alles, was Sie aus der Kindheit übernommen haben. Gibt es dort rissige Stellen, wo Energie entweicht, stabilisieren Sie Ihr Fundament! Das schaffen Sie, indem Sie sich um Ihre psychologischen Bedürfnisse kümmern (Vgl. Bedürfnispyramide von Maslow). Sind sie gut erfüllt, geht es dem Körper auch gut, denn Geist und Körper kommunizieren untrennbar miteinander.
- Dann schauen Sie sich Ihre Räume an: Das sind alle Bereiche in Ihrem Leben, die Sie selbst beeinflussen können, Ihre Komfortzone. Besitzen Sie einen grösseren Raum, können Sie mehr Energie und damit Ressourcen, wie z. B. Menschen, Arbeit, Umgebungen, neue Erfahrungen, zufügen. Sie könnten auch Räume anbauen. Wenn jemand z. B. nur für die Schule lebt, besitzt er nur diesen einen Raum. Wenn dieser Raum auch noch mehr Energie nimmt als zuführt, kühlen Sie wohlmöglich schnell aus, weil Sie keine weiteren Räume besitzen, über die Sie Energie beziehen können.
- Begutachten Sie dann Ihre Wände: Wände kennzeichnen die Grenzen zu anderen Räumen und Lebensbereichen. Sie können die Wände auch verschieben. Vielleicht spielen Sie mit dem Gedanken, den Job zu wechseln, was Ihnen zunächst Angst macht. Ein Jobwechsel hält neben der Angst aber auch Erfreuliches bereit. Probieren Sie das Verschieben Ihrer Wände am Anfang deshalb in kleinen Schritten.
- Jetzt die Türen: Wenn Türklinken an der Innenseite der Räume montiert sind, haben Sie die Kontrolle. Nur Sie können die Türen öffnen und entscheiden auch, wann. Das ist vor allem bei Hobbies der Fall, z. B.: Sie gehen zu einer Tanzstunde, öffnen also die Tür, tanzen, gehen wieder nach Hause und schliessen die Tür.
Angenommen, Sie lassen Gefühle wie Ärger oder Trauer nicht fliessen, kann es sein, dass eine Tür keine Klinke besitzt. So blockieren Sie sich im Grunde nur selbst. Denn das Leben will im Fluss sein. Energie kommt und fliesst ab. Das kann sich, wie bei Mareike, in Form von Scham zeigen. Oder Sie spüren, etwas tut nicht mehr gut, Sie sollten sich davon trennen, nur loslassen wollen Sie noch nicht, weil es ängstlich oder traurig macht.
Hat nur die Aussenseite der Tür eine Klinke, haben Sie keine Kontrolle. Das ist z. B. der Fall, wenn Ihnen jemand in der Schule Mehrarbeit/ Konflikte auflädt, ohne dass Sie etwas dagegen ausrichten können. Hier brauchen Sie die Fähigkeit und den Mut, NEIN zu sagen, um sich abzugrenzen, manchmal aller Widerstände zum Trotz.
Gibt es auf beiden Seiten Türklinken, können Sie frei entscheiden, wann Sie eine gesunde Grenze ziehen. Sie könnten z. B. zur Mehrarbeit drei Mal ja sagen und beim vierten Mal nein. - Blicken Sie nun aus Ihren Fenstern: Erlauben Sie sich den Blick über den Tellerrand. Nehmen Sie die Vielfalt und Möglichkeiten wahr, die das Leben bereithält. So könnten Sie z.B. entscheiden: „Ich sitze heute exakt zwei Stunden an meinem Schreibtisch, danach mache ich mir mit meiner Freundin eine gute Zeit.“ Falls Sie vor einer Herausforderung stehen, schauen Sie, wie andere dieses Thema lösen. Vielleicht sehen Sie auch jemanden, der Sie unterstützen kann.
- Justieren Sie das Thermostat: Es zeigt, ob sich gewisse Lebensbereiche noch stimmig anfühlen oder die Temperatur nachjustiert werden muss. Nehmen wir an, Sie können erst entspannen, wenn Sie mit der Arbeit fertig sind. Vermutlich käme Ihr Wert Entspannung zu kurz. Ihr Thermostat ist dann im unteren Bereich, also sehr kalt. Falls Sie nicht mehr bereit sind, eine etwaige Situation mitzutragen, stellen Sie den Regler neu ein.
Zu 2) Woher können Sie Energie beziehen und wie schützen Sie sie?
Je mehr Quellen Sie dafür aktivieren, umso mehr Energie fliesst.
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Energiequellen von aussen
Körper: Es gibt Menschen, die merken vor lauter Arbeit nicht, dass sie hungrig und müde sind. Irgendwann merken sie, dass sie gereizt sind und neben dem Computer anfangen zu essen. Wenn Sie dazu neigen, über Ihre Grenzen hinweg zu arbeiten, fragen Sie sich, ob Ihre Bedürfnisse weniger wichtig als die der anderen sind. Sie dürfen Ihrer Umwelt zumuten, an sich selbst zu denken. Das ist gesunder Egoismus.
Soziales Umfeld: Prüfen Sie Ihre Kontakte. Bereichern Sie Treffen oder laugen diese Sie aus? Das gilt für Familie, Freunde und auch Kollegen. Sind Ihre Kontakte von Wertschätzung und Wohlwollen geprägt? Wertschätzung ist ein menschliches Grundbedürfnis und ein starker Energielieferant. Menschen, die nicht wertschätzend sind, sind reiner Energieraub.
Zeit: Wann sind Sie das letzte Mal Ihren Interessen nachgegangen? Wie viel Zeit nehmen Sie sich für Ihre Leidenschaften? Zur Anspannung gehört auch immer Entspannung. Wenn Sie den ganzen Tag berufliche Termine haben, prüfen Sie bitte, ob Ihre eigenen Interessen zu kurz kommen oder Ihr Terminkalender entrümpelt werden kann. -
Energiequellen von innen
Innerer Dialog: Führen Sie Selbstgespräche und hören Sie hin, was Ihre innere Stimme sagt? Wie denken Sie über sich? Mögen Sie sich oder mäkeln Sie an sich herum oder tadeln sich in manchen Situationen selbst, wie z. B.: „Das hätte ich mal besser machen können!“? Sprechen Sie wohlwollend mit sich, wie eine liebe Mama zu ihrem Kind oder eine gute Freundin: „Ach Schatz, ist doch nicht schlimm, Du schaffst das!“?
Gefühle: Während einige Menschen Gefühle praktisch kultivieren, wollen andere dort gar nicht hinschauen. Gefühle sind wichtig. Sie sind ein wichtiger Wegweiser und deshalb ernst zu nehmen. Lassen Sie sie fliessen, damit Sie sich nicht blockieren. Empfinden Sie bspw. Ärger, kann das ein Hinweis sein, dass Sie sich nicht richtig abgrenzen. Deshalb bleiben Sie keineswegs nur im Denken. Der Mensch ist erst frei, wenn Herz, Kopf und Bauch im Einklang sind.
Rituale & Routinen: Menschen sind Gewohnheitstiere. Rituale und Routinen schaffen Sicherheit und Stabilität. Das Leben wird hierdurch vorhersehbar und Sie brauchen keine Energie für neue Strukturen aufzuwenden. Zu viele Rituale lassen das Leben allerdings starr wirken. Nehmen Sie sich zudem auch Freiräume für spontanes Handeln! Im Übrigen empfehle ich Bewegung als Routine, um den erhöhten Cortisolspiegel abzubauen.
Entscheidungsfreudigkeit: Können Sie gut entscheiden? Entscheiden Sie nicht, aus Sorge, eine Fehlentscheidung zu treffen, mit der sie nicht umgehen können? Treffen Sie aktive Entscheidungen, aus denen Sie lernen, dann führen Sie sich Energie zu, denn sonst werden Sie entschieden. Menschen, die Burnout gefährdet sind oder ein Burnout erleiden, haben oft keine Entscheidungen getroffen – sei es nur die, einmal mehr NEIN zu sagen.
Wie steht es denn um Ihr Haus und Ihre Energiequellen? Ich wünsche Ihnen viel Freude und ein gutes Gelingen dabei, Ihr Haus und Ihren Energiehaushalt einmal kritisch zu überprüfen oder ggf. wieder auf Vordermann zu bringen. Das wird im Schulalltag enorm helfen!
Benötigen Sie Unterstützung dabei? Dann kontaktieren Sie mich gerne unter: [email protected]
Erfahren Sie in meinem nächsten Blogartikel, wie Ihr geheimer innerer Antreiber unbewusst Energie zieht, wie Sie ihn zur Ruhe bringen und seine Stärken bewusst nutzen.
Take Care und liebe Grüsse
Ihre Bianka
Quellen:
- www.br.de/nachrichten/bayern/burnout-bei-lehrern-angst-bremst-rechtzeitige-therapien-aus,STyctI6 (Zugriff am 09.11.21 um 13:30) --> Link inaktiv
- www.aerzteblatt.de/archiv/212434/Psychotherapie-mit-Lehrern-Oftmals-schwierige-Patienten (Zugriff am 09.11.21 um 13:21)
- Taglieber & Raebricht (2020): Burnout vorbeugen. Selbstverlag.
- www.dak.de/dak/bundesthemen/corona-krise-jede-vierte-lehrkraft-burnout-gefaehrdet-2389006.html#/ (Zugriff am 10.11.2021 um 17:53)
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