Ausreden für den Sportunterricht – Was steckt hinter häufigen Fehlzeiten und wie kann man sie reduzieren?
Der Sportunterricht in der Schule spaltet die Meinungen der Schülerinnen und Schüler: Bei den einen ist es das beliebteste Fach überhaupt, für andere das komplette Gegenteil.
Im Schnitt zählen mehr Mädchen zu der zweiten Gruppe: Laut einer Umfrage von iconkids & youth mit 681 befragten Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren gaben zwar 41,2 % der Jungen, aber nur 11,4 % der Mädchen an, dass Sport ihr Lieblingsfach sei (Quelle: statista).
Ausreden, um zu schwänzen, sind deshalb nicht selten. Aber sind die Schülerinnen und Schüler wirklich nur zu faul oder unmotiviert? Oder können sich auch andere Gründe hinter häufigen Fehlzeiten verbergen?
Ausreden für den Sportunterricht gibt es wahrscheinlich, seit es Sportunterricht gibt.
Die 5 Klassiker:
- Sportsachen vergessen
- Kopfschmerzen
- Übelkeit/Bauchweh/Schwindelgefühl
- Periode
- Schmerzen im Fuss/Knöchel
Schwer zu überprüfen. Wenn man sie nicht zu häufig anwendet, klappen sie fast immer.
5 Ausreden für Scherzkekse:
- Bei mir wurde eine Allergie gegen Schweiss festgestellt. Sport wäre deshalb für mich gesundheitsschädlich.
- Ich spüre da so ein Ziehen – es zieht mich eindeutig Richtung Couch …
- Ich finde, ich sollte den anderen heute auch mal eine Chance geben und sie nicht durch meine Leistungen demotivieren.
- Um mich auf die Stunde vorzubereiten, habe ich so viel trainiert, dass ich jetzt den Muskelkater des Todes habe.
- Ich kann leider nicht auf den Schwebebalken, ich habe Höhenangst!*
*Manche Kinder haben tatsächlich so starke Höhenangst oder fühlen sich auf dem Gerät so unsicher, dass diese Aussage nicht leichtfertig als Ausrede abgetan werden sollte.
Aber was steckt hinter den häufigen Fehlzeiten?
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Gesundheitliche Gründe
Vermutlich ist Sport eines der Fächer mit den meisten Fehlstunden von Schülerinnen und Schülern. Denn während man mit einem verstauchten Knöchel noch problemlos im Deutschunterricht sitzen kann, ist er beim Basketballspielen schon hinderlicher. Das ist auch bei stärkeren Menstruationsbeschwerden der Fall. -
Motivationsmangel
Da es für den Sportunterricht einige schwer überprüfbare Ausreden gibt, nutzen Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, um zu schwänzen. Die Versuchung ist besonders gross, wenn Sport am Beginn oder Ende des Schultages stattfindet. -
Angst vor dem Schulsport
Natürlich gibt es in jedem Fach Kinder mit besseren oder schlechteren Leistungen, aber eines ist beim Schulsport anders: Das Hauptaugenmerk liegt auf den körperlichen Fähigkeiten und die Leistungen sind beim Sportunterricht, anders als bei einer Klassenarbeit, die jeder (hoffentlich) für sich schreibt, für alle sichtbar.
Übergewichtige oder unsportliche Kinder haben deshalb oft Angst, dass andere sich über sie lustig machen könnten. Besonders, wenn das Klassenklima nicht gut ist, kann der Sportunterricht Schülerinnen und Schülern nicht immer ein sicheres Umfeld bieten.
Andere haben Angst, sich zu verletzen, vom Ball getroffen zu werden oder beim Schwimmunterricht ins Wasser zu springen oder zu tauchen.
Es lohnt sich deshalb, bei häufiger fehlenden Schülerinnen und Schülern nachzufragen, was der Grund ist, um im besten Fall etwas dagegen tun zu können.
Welche Vorteile hat der Sportunterricht an Schulen?
Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, die für Sport als Unterrichtsfach sprechen:
- Wer als Kind oder Jugendlicher/Jugendliche keinen Sport macht, macht es auch seltener als Erwachsener/Erwachsene.
- Kinder können sich in verschiedenen Sportarten ausprobieren und entdecken, was ihnen Spass macht und wo ihre Stärken liegen.
- Obwohl Bewegung auch im regulären Unterricht v.a. an Primarschulen inzwischen eine grössere Rolle spielt, bleibt Sport das einzige Bewegungsfach.
- Nach Bewegungsphasen können sich Schülerinnen und Schüler wieder besser konzentrieren und sind aufnahmefähiger.
- Manche Kinder, die sich mit anderen Fächern schwertun, können hier glänzen.
- Guter Sportunterricht kann soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Fairplay und Empathie fördern und das Selbstbewusstsein stärken.
Warum ist Sportunterricht bei manchen Schülerinnen und Schülern dennoch negativ behaftet?
Dass viele Schülerinnen und Schüler aber auch ganz andere Erfahrungen sammeln, zeigt eine Umfrage des Online-Magazins Krautreporter aus dem Jahr 2022, an der sich über 5600 Leserinnen und Leser beteiligten: 80 Prozent der Teilnehmenden glauben, dass der Schulsport dazu beigetragen habe, dass sie auch im Erwachsenenalter ungern Sport treiben. Sie berichten von Erniedrigungen und Mobbing sowie von Grenzüberschreitungen sowie Demütigungen auch seitens der Lehrerinnen und Lehrer.
Drei Situationen, die für Kinder und Jugendliche schwierig sein können:
- Besonders Situationen, in denen einzelne Kinder und Jugendliche vor allen anderen Vorturnen müssen, wie beim Geräte- oder Bodenturnen, exponieren sie, können für Schamgefühle sorgen und bieten eine Angriffsfläche für Mobbing.
- Auch Teamsportarten oder Spiele können psychisch belastend sein, wenn die Schülerinnen und Schüler spüren, dass ihre Teammitglieder sie aufgrund ihrer Leistung lieber im gegnerischen Team sähen. Noch schlimmer waren die Zeiten, als Lehrerinnen und Lehrer einzelnen Kindern die Wahl der Teammitglieder überliessen. Jeder, der es erlebt hat, weiss noch heute, wie es sich anfühlt, immer bis zuletzt übrig zu bleiben.
- Während es in anderen Fächern die Möglichkeit gibt, durch eine gute Vorbereitung auf Klassenarbeiten relativ schnell Verbesserungen zu erzielen, ist das im Sportunterricht für motorisch weniger begabte Kinder nur bis zu einem gewissen Grad möglich:
In anderen Fächern starten die Schülerinnen und Schüler zu Beginn eines neuen Themas auf einem ähnlichen Wissensstand. Wem aber die Muskulatur für gute Leistungen am Reck fehlen, wird diese nicht bis zum Ende der Unterrichtseinheit aufbauen können, wenn Noten gemacht werden.
Als unfair werden z.B. auch Notentabellen z.B. für Hochsprung empfunden, wenn der Grössenunterschied zwischen den Kindern teilweise 20 bis 30 Zentimeter beträgt. Das kann zu dem Gefühl führen, unsportlich zu sein und daran nichts ändern zu können.
Weniger Ausreden für den Sportunterricht: Wie kann das Schwänzen reduziert werden?
Nicht wenige, die in der oben genannten Umfrage mitgemacht haben, dürften das Kapitel Schulsport bereits vor 20 bis 30 Jahren abgeschlossen haben. Seitdem hat sich in der Sportpädagogik bereits einiges getan. Die individuelle Lernentwicklung, Anstrengungsbereitschaft und soziale Verhaltensweisen spielen inzwischen eine grössere Rolle bei der Notengebung.
Auch von demütigenden Praktiken, wie dem Wählenlassen von Teammitgliedern, sollten sich heute hoffentlich alle verabschiedet haben.
Dass es nicht so ist, zeigt eine Umfrage unter Schülerinnen und Schülern des Deutschen Schulportals, in der eine 12-jährige Schülerin diese Erfahrung noch immer genau so schildert:
„Peinlich ist es auch, wenn man bei der Mannschaftswahl als Letzter auf der Bank sitzt. Ganz schlimm ist es, wenn dann noch zwei übrig sind und sich die Gruppen darüber unterhalten, wer schlechter ist.“
Die Interviews mit den Kindern zeigen, dass viele nach wie vor den Eindruck haben, dass individuelle Voraussetzungen und Leistungsverbesserungen kaum zum Tragen kommen. Sicherlich können solche Aussagen nicht verallgemeinert werden, doch sie zeigen, dass der Schulsport mancherorts noch ähnlich stattfindet, wie vor 20 Jahren.
- Wie sich Noten im Sportunterricht auf den Spass an der sportlichen Betätigung auswirken, ist eine weitere Frage. Manche Schulen verzichten in den unteren Klassen auf sie wie das Kölner Schiller-Gymnasium. Die Freude an der Bewegung, nicht der Leistungsdruck, soll hier im Vordergrund stehen. Stattdessen erhalten die Kinder Rückmeldebögen mit Tipps, um sich weiter zu verbessern.
Spannend wären hier Studien, wie sich der Verzicht auf Sportnoten auf die Motivation, sich auch im Erwachsenenalter sportlich zu betätigen, auswirkt. - Um die Motivation zu steigern, geben immer mehr Lehrerinnen und Lehrer ihren Klassen ein Mitspracherecht, wie der Sportunterricht gestaltet werden kann. Lehr- und Bildungspläne geben natürlich einen gewissen Rahmen vor, aber warum nicht einmal die Schülerinnen und Schüler eine Stunde gestalten lassen oder ihnen Wahlmöglichkeiten bei den Aufwärmübungen und Spielen geben? Ein schöner Anlass, die Kinder einzubinden, ist die Planung einer Kinderolympiade.
- Die Einbindung von Trendsportarten kann die Motivation der Schülerinnen und Schüler auch erhöhen. Sie bringen Abwechslung in den bekannten Kanon der Sportarten und integrieren aktuelle Entwicklungstendenzen der gesellschaftlichen Sport- und Bewegungskultur. Ganz aktuell ist beispielsweise Hobby Horsing. Wem das zu trendig ist, kann es mit der Slackline, Discgolf oder SpikeBall versuchen :)
Einige stellen wir hier im Beitrag vor: Trendsportarten im Schulsport - Es lohnt sich auch, die individuelle Situation anzugehen:
Im ersten Schritt ist es wichtig, herauszufinden, warum die Schülerinnen und Schüler schwänzen. - Neben dem persönlichen Gespräch mit Schülerinnen und Schülern, die das Thema direkt betrifft, können Sie auch die gesamte Gruppe an Bord holen, um Ideen zu sammeln: Da sich wahrscheinlich nicht alle trauen würden, vor der Klasse offen zu reden, können Sie sie bitten, anonym aufzuschreiben, ob es Punkte gibt, die sie stören oder ihnen schwerfallen und welche Vorschläge sie haben, den Unterricht anders zu gestalten.
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